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Positionspapier der Promovierenden-Initiative zur
Stellung der Promovierenden an deutschen Hochschulen
Abgestimmte Fassung vom 27.03.2012
In den wissenschaftspolitischen Diskursen der letzten beiden Jahrzehnte wurden und werden die Belange und die Situation der NachwuchswissenschaftlerInnen an deutschen Hochschulen und Forschungsinstitutionen nur sehr begrenzt wahrgenommen. So fehlt es allein schon an verlässlichen statischen Daten über die Zahl von Promovierenden in Deutschland. Folgerichtig forderte bereits 1996 die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) eine geregelte Stellung von Promovierenden: „‘Um die Betreuung aller Doktoranden sicherzustellen (und auch um alle Doktoranden statistisch zu erfassen), empfiehlt die HRK, einen förmlichen Doktorandenstatus für alle Doktoranden einzuführen.‘ (HRK-Arbeitsbericht 1994). Der Doktorandenstatus sichert die Mitgliedschaft aller Doktoranden in der Hochschule, gewährleistet ihren Zugang zu Einrichtungen der Hochschule und räumt Unsicherheiten in Haftungsfragen aus. Damit wird auch die institutionelle Verantwortung der Universität für die Doktorandenausbildung dokumentiert.“ (HRK 1996: II.1.) Die Promovierenden-Initiative hat bereits mehrfach eine einheitliche Regelung der Stellung von Promovierenden an deutschen Hochschulen angemahnt, zuletzt im März 2010. Trotz dieser und weiterer Initiativen (z.B. HRG 2002, BMFB 2008, GEW 2010, Grüske 2011) ist die rechtliche Einbindung von Promovierenden an den Hochschulen durch die Ländergesetze nach wie vor unzureichend geregelt. Mit diesem aktualisierten Positionspapier gibt die Promovierenden-Initiative erneut einen kurzen Aufriss der Problemlage und macht idealtypische Vorschläge zur einheitlichen Regelung der Stellung von Promovierenden in Ländergesetzen.
Begründung
Promovierende leisten entscheidende Beiträge zur Forschungstätigkeit und Lehre an deutschen Hochschulen. Ohne sie ist das System Hochschule nicht denkbar. Qualität und Fortschritt des Wissenschaftsstandorts Deutschland werden besonders durch die Arbeit von Promovierenden gewährleistet. Die derzeitige, unklare Rechtssituation hat erhebliche Auswirkungen hinsichtlich der demokratischen Mitbestimmung der Promovierenden, der Bewertung der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung, der Vernetzung der Promovierenden als Gruppe untereinander sowie ihrer sozialrechtlichen Stellung. Die rechtliche Absicherung der gesamten Promotionsphase ist daher eine notwendige Maßnahme der Qualitätssicherung im Promotionsverfahren.
Uneinheitliche Regelung zwischen den Landeshochschulgesetzen
Landeshochschulgesetze (LHG) liefern klare Definitionen wer zu den MitarbeiterInnen und zur Studierendenschaft gehört, jedoch gibt es keine einheitlichen Regelungen zu welcher universitären Gruppe Promovierende gezählt werden. In manchen Ländern werden sie als Mitglieder der Hochschule gesehen, in anderen als Angehörige und wiederum anderen gar nicht genannt. Viele LHG erlauben die freiwillige Immatrikulation von Promovierenden, wodurch sie der Gruppe der Studierenden zugeordnet werden. Jedoch können sich Promovierende, die als MitarbeiterInnen an der Hochschule eingestellt sind auch immatrikulieren. Da die Immatrikulation freiwillig ist, können zudem PromotionsstipendiatInnen, frei Promovierende oder Promovierende an nicht hochschulinternen Einrichtungen auch keiner der beiden Gruppen angehören. Es können also Promovierende keiner, einer oder sogar beiden der genannten Gruppen zugeordnet werden. Die LHG sehen keine Erfassung von Promovierenden vor, was bei Studierenden automatisch durch die Immatrikulation und bei MitarbeiterInnen automatisch durch den Arbeitsvertrag geschieht. Somit ist die Situation von Promovierenden ebenso mehrdeutig wie ihre rechtliche Stellung an der Universität.
Problemstellungen
Daraus ergeben sich folgende Problemstellungen:
Demokratische Mitbestimmung ist nicht gewährleistet
Die Vertretung von Promovierenden in den universitären Gremien (Senat, Fakultätsräte, Promotionsausschuss) kann entweder durch die Studierenden, die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, durch beide oder gar keine dieser Gruppen geschehen. Werden Promovierende von Studierenden oder MitarbeiterInnen als VertreterInnen gewählt, vertreten sie jeweils nur den immatrikulierten oder eingestellten Teil der Promovierenden. Es gibt darüber hinaus Promovierende, die zwar einen entscheidenden Forschungsbeitrag für die Hochschulen leisten aber dennoch keine Stimme haben. Somit ist demokratische Mitbestimmung nicht gewährleistet. Viele hochschulpolitische Entscheidungen betreffen aber explizit die gesamte Gruppe der Promovierenden. Daher sind AnsprechpartnerInnen, die die Belange aller Promovierenden vertreten, notwendig.
Adäquate Erfassung von Promovierenden
Eine adäquate Erfassung von Promovierenden ist aufgrund der uneinheitlichen Regelungen nicht möglich. So lässt sich die Lage der Promovierenden nur schwer beurteilen, da großflächige Erhebungen grundsätzlicher statistischer Daten (z.B. Zahl der Promovierenden, Dauer der Promotionen, Abbruchquoten, soziale Situation der Promovierenden an den Universitäten/Fakultäten/Instituten) nicht durchgeführt werden können. Ohne die Ausgangslage zu kennen ist es kaum möglich, die für die Forschung und Lehre so wichtige Rolle der Promovierenden zu gestalten und zu verbessern. Durch die Sicherstellung der statistischen Erfassung der Promovierenden wird Transparenz gewährleistet. Dadurch wird dauerhaft die Steigerung der Qualität von Promotionen ermöglicht.
Keine großflächige Vernetzung der Promovierenden
Promovierende bilden an Hochschulen eine große Gruppe aktiver Personen, sind untereinander aber kaum vernetzt. Die Vernetzung wird durch die momentane Situation sogar erschwert. Bessere soziale und wissenschaftliche Vernetzung wirkt der Vereinzelung entgegen und ist Voraussetzung für gemeinsame Willensbildung. Eine lebhafte Gruppe von Promovierenden kann zudem den Erfolg des Promotionsvorhabens positiv beeinflussen.
Ungleichbehandlung der Promovierenden
Die angeführten Probleme führen zu einer doppelten, nicht tragbaren, Ungleichbehandlung: Erstens haben Promovierende im Vergleich zur Gruppe der Studierenden kein garantiertes Mitspracherecht und keinen Status, auf den sie sich beispielsweise sozialversicherungsrechtlich berufen können. Zweitens besteht eine Ungleichbehandlung innerhalb der Promovierendenschaft, die je nach Landeshochschulgesetz, Universitätssatzung oder Promotionsordnung variieren kann. Mit Blick auf die oben angesprochene Bedeutung von Promovierenden in der Hochschullandschaft sind keine sachlichen Gründe für eine derartige Ungleichbehandlung nachvollziehbar.
Lösungsansätze
Erfassung der Promovierenden an den Hochschulen
Promovierende sollen zu einem klar definierten Beginn ihrer Promotionszeit an ihrer Hochschule erfasst und damit zu Mitgliedern der Hochschule werden. Dieser Zeitpunkt sollte sinnvollerweise der Abschluss einer Promotionsvereinbarung sein, als zeitgenau und einfach zu erfassendes Datum. Dies erfolgt durch eine vertragliche Vereinbarung im Sinne einer Willensbekundung zur Durchführung der Promotion zwischen Promovierender bzw. Promovierendem, Betreuerin bzw. Betreuer, Fachbereich und Hochschule. Mit dem Abschluss dieser Vereinbarung werden die Promovierenden in einem Promovierendenverzeichnis bei der Hochschule mit den Daten (Name, Adresse, Abschluss, Tag der Promotionsvereinbarung, Promotionsordnung, etc.) eingetragen. Die Datenübermittlung ist nur in den engen Grenzen des Datenschutzrechts zulässig. Mit dem Abschluss der Vereinbarung werden die Promovierenden zu Doktorandinnen oder Doktoranden i.S.d. LHG und erlangen den Mitgliedsstatus. Dies ist nicht zu verwechseln mit der Immatrikulation als Student/in und den damit verbundenen Rechten und Pflichten, die Immatrikulation als Promovierende bleibt optional. Das Verfahren soll der Vielfalt der Promotionslandschaft in Deutschland Rechnung tragen. So werden PromotionsstipendiatInnen, wissenschaftliche MitarbeiterInnen, KollegteilnehmerInnen und externe Promovierende erfasst und gleichzeitig kann im Rahmen der Promotionsvereinbarung den spezifischen Belangen einer jeden dieser Promotionsformen Rechnung getragen werden. Jede Hochschule soll semesterweise oder jährlich einen Bericht erstellen, der die statistischen Daten der Promovierenden anonymisiert und öffentlich zugänglich darlegt. Die Doktorandinnen und Doktoranden sind in Hochschulgremien angemessen zu beteiligen. Regelmäßige Doktorandenversammlungen sind zu ermöglichen.
Rechtliche Regelung der Stellung von Promovierenden
Angesichts der vorhergehenden Erwägungen und in Anschluss an den Regelungsentwurf der Promovierenden-Initiative in Ihrem Positionspapier vom März 2010 würde ein idealtypischer Entwurf die rechtliche Stellung von Promovierenden an den Hochschulen in den Ländergesetzen wie folgt regeln:
§ 1a
Mitglieder
(1) Mitglieder der Hochschule sind die an der Hochschule
– nicht nur vorübergehend oder gastweise hauptberuflich Tätigen,
– die eingeschriebenen Studierenden sowie
– die angenommenen Doktoranden.
(2) Mitglieder sind ferner… [landesrechtlicher Status quo]
§ 1b
Doktorandinnen und Doktoranden
(1) Zur Promotion kann als Doktorand in der Regel angenommen werden, wer … [landesrechtlicher Status quo].
(2) Die Annahme erfolgt durch den Abschluss einer vertraglichen Promotionsvereinbarung zwischen Promovierender bzw. Promovierendem, der Betreuerin bzw. dem Betreuer sowie des Fachbereichs.
(3) Mit dem Abschluss der Promotionsvereinbarung werden die Doktorandinnen und Doktoranden in das Promovierendenverzeichnis der Hochschule eingetragen. Das Nähere regelt eine Durchführungsverordnung. Die Hochschulen können durch Satzung bestimmen, dass Doktorandinnen und Doktoranden in regelmäßigen Abständen gegenüber der Hochschule erklären, dass das Promotionsvereinbarung noch besteht. Die Abstände nach Satz 3 dürfen nicht kürzer als zwei Jahre sein. Erklären sich die Doktorandinnen und Doktoranden auch nach Aufforderung in angemessener Frist nicht, können sie aus dem Promovierendenverzeichnis gestrichen werden. Die Streichung lässt die Promotionsvereinbarung unberührt.
§ 1c
Mitbestimmung der Doktorandinnen und Doktoranden
Die Doktorandinnen und Doktoranden bilden eine eigenständige Gruppe in den nach Mitgliedergruppen zusammengesetzten Gremien. Sie müssen vertreten sein. Doktorandinnen und Doktoranden, die mehreren Mitgliedergruppen angehören, haben bei der Eintragung nach § 1b Abs. 3 zu erklären, für welche Gruppe sie ihr Wahlrecht ausüben.
Die Promovierenden-Initiative fordert die zuständigen Landesgesetzgeber auf, Rechtssicherheit und -klarheit für Promovierende im Hinblick auf die beschriebenen Probleme herzustellen. Zwar ist die konkrete Ausgestaltung dieser Regelung, deren Gegenstand in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt, den jeweiligen Bundesländern überlassen. Angestrebt wird jedoch eine möglichst kooperativ gemeinsam erarbeitete Lösung aller Bundesländer im Sinne des vorliegenden Entwurfs.
Literaturverzeichnis
BMBF – BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG UND FORSCHUNG (2008): Bundesbericht zur Förderung des Wissenschaftlichen Nachwuchses, (BuWiN), Bonn. (http://www.buwin.de/fileadmin/kisswin/download/BUWIN_download.pdf, 19.03.2012)
GEW – GEWERKSCHAFT ERZIEHUNG UND WISSENSCHAFT (2010): Promotion im Brennpunkt. Reformvorschläge der Doktorandinnen und Doktoranden in der Bildungsgewerkschaft GEW.
HRG – HOCHSCHULRAHMENGESETZ vom 8.8.2002, BGBl I, S.3138.
HRK – HOCHSCHULREKTORENKONFERENZ (1994): Empfehlungen zur Verhinderung von Unregelmäßigkeiten bei Erwerb und Verleihung akademischer Titel (insbesondere Promotionsbetrug und Titelhandel), Arbeitsbericht, Bonn 1995, S. 215 ff.
HRK – HOCHSCHULREKTORENKONFERENZ (1996): Entschließung des 179. Plenums vom 9. Juli 1996: Zum Promotionsstudium. (http://www.hrk.de/de/beschluesse/109_524.php#1.%20Allgemeiner%20Doktorandenstatus, 19.03.2012)
GRÜSKE, K.-D. (2011) Vortrag vom 29. November 2011, Symposium der Allianz der Wissenschaftsorganisationen: „Gute wissenschaftliche Praxis“, Berlin. (http://www.dfg.de/foerderung/rechtliche_rahmenbedingungen/gwp/111129_symposium/index.jsp, 19.03.2012)